Sind dicke Menschen in den Medien wirklich eine lebendige Werbung für Fettleibigkeit?
Ich höre das immer und immer wieder: „Diese ganze body-positivity-Bewegung ist scheiße. Alles, was sie tut, ist Normalisierung eines ungesunden Lebensstils und Förderung der Adipositas. Ich habe nichts gegen dicke Menschen, aber sie sollen bitte ihr Dicksein nicht überall präsentieren. Das ist ja schließlich ungesund.“
Jaja, viele haben ja auch ‘nix’ gegen Geflüchtete und so… die Geschichte kennen wir schon.
Was der Mensch damit eigentlich sagt, ist: „Ich empfinde eine starke Abneigung gegenüber dicken Menschen, das werde ich aber nie zugeben. Auch mir selbst nicht. Diese Menschen stören mich in meiner Welt, wo alles komischen Idealen und fremdbestimmten Regeln zu entsprechen hat. Am besten, sollen sie sich verstecken, sodass ich sie nie zur Schau bekomme. So dürfen sie dann bitte existieren.“
Oder liege ich etwa falsch mit meiner Vermutung?
Ich bin der Meinung, dass es extrem wichtig ist, dass wir dicke Menschen in den Medien sehen (und nicht nur dicke, sondern auch Behinderte, Homosexuelle, People of Color. Ach ja, Frauen mit Körperhaaren und Cellulitis bitte auch), denn:
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Es geht nicht um Werbung…
Keine/r sagt: „Dick sein ist geil und genau das soll dein oberstes Ziel sein. Nur wenn du dick bist, bist du schön und wertvoll. Erst wenn du zunimmst, wirst du dein Leben genießen können, deswegen nimm diese Pille ein, damit du 5 Kilo die Woche zunimmst!“ Klingt skurril? Schon mal so einen Appel gehört? Ich nicht. Dafür höre ich aber ständig, was ich meinem Körper alles antun soll, damit er dem unnatürlichen Schönheitsideal entspricht, der mir Liebe, Anerkennung und Erfolg verspricht (Kalorien zählen, mein Essverhalten ständig unter Kontrolle halten, mich auf sehr viele Sachen verzichten, mich regelmäßig ins Fitness-Studio schleppen, Anti-Cellulitis-Massage machen und und und). Deswegen bitte, hört auf mit der Beschuldigung, dicke Menschen würden für das Dicksein Werbung machen und Adipositas-Epidemie vorantreiben. Nein. Es geht hier um etwas viel Einfacheres und gleichzeitig um etwas absolut Essentielles…
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Es geht ums Dasein.
Wir alle sind gleich viel wert, die Kleidergröße ist egal
Dicke Menschen möchten einfach nur sein und so akzeptiert werden, wie sie sind. Das wollen wir doch alle, nicht wahr? Warum darf sich dann ein Mensch in seinem Körper wohl fühlen (zumindest in der Hinsicht, wie sein Körper von der Außenwelt empfangen wird), und der andere muss sein ganzes Leben mit Ablehnung und Hass konfrontiert werden? Ist einer denn wertvoller als der andere? NEIN. Und der Grund für mehr Vielfalt in den Medien ist sehr eindeutig: Solange wir nur einen ganz bestimmten Körpertyp zu sehen bekommen, werden wir Millionen von Menschen haben, die sich hässlich, fehlerhaft und nicht zugehörig fühlen (Hier kannst du nachlesen, wie du dich davor schützen kannst). Es ist extrem wichtig, sich selbst von den anderen repräsentiert zu fühlen. Dies gibt Menschen das Gefühl, ‘normal’ zu sein und dazu zu gehören. Deswegen brauchen wir dicke Menschen in den Medien, aber auch alle anderen Menschen, die in unserer Gesellschaft marginalisiert werden.
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Ungesund sind der Hass und die Vorurteile, nicht das Dicksein
Heutzutage gibt es genug Studien, die zeigen, dass das Aussehen von Menschen nicht unbedingt etwas über ihre Gesundheit aussagt. Menschen können übergewichtig[1], und trotzdem gesund sein! (tja, so etwas hast du in unserer mit dem Aussehen besessenen Gesellschaft noch nie gehört, oder? Es ist höchste Zeit.) Auch muss das Dicksein nicht immer der Auslöser für Diabetes und andere Krankheiten sein. Wir müssen uns mehr über das Thema informieren und unsere veralteten Überzeugungen überdenken.
Genauso müssen auch Ärzte ihre tiefsitzenden Vorurteile, dass dicke(re) Menschen per se ungesund sind, ablegen, damit sie sie nach den wahren Gründen der Krankheiten suchen können, anstatt falsche Diagnosen zu liefern und bei jeder Beschwerde das Abnehmen zu empfehlen. HIER könnt ihr euch eine bewegende Geschichte von einem Arzt anhören, dessen tiefe Vorurteile ihn davon abhielten, seiner dicken Patientin Respekt und eine liebevolle Behandlung zu geben. Erst durch seine eigene Krankheit wurde er zum Erwachen gebracht: https://www.youtube.com/watch?v=UMhLBPPtlrY
Und ja, selbst wenn der Mensch dick ist und gesundheitliche Probleme aufweist, wäre in diesem Fall die Frage berechtigt: Was geht uns das an? Woher nehmen wir uns das Recht, die Person zu beurteilen, abzuwerten oder sogar zu beleidigen? Dieses Recht haben wir nicht. Und wir sollen uns lieber daran üben, uns selbst liebevoll anzunehmen und auch den anderen Raum für Selbstentfaltung zu geben.
Leben und andere leben lassen, sage ich nur.
LOSE HATE NOT WEIGHT Virgie Tovar
P.S.
Es ist mir bewusst, dass die Tatsache, dass ich als eine Frau ‘normaler’ Größe (also privilegiert) FÜR die Menschen spreche, die in unserer Gesellschaft konstant diskriminiert werden, etwas problematisch ist. Da ich dieses Thema jedoch für sehr wichtig erachte und bisher kaum ähnliche Artikel im deutschsprachigen Raum dazu gelesen habe, entschied ich mich dazu, trotz der oben erwähnten Problematik meine Meinung dazu zu äußern. Ich hoffe, keine/r wird sich dadurch beleidigt fühlen. Meine Intention ist es, Menschen dazu zu bewegen, ihr Verhalten zu hinterfragen und ihre Vorurteile abzulegen, damit wir gemeinsam eine faire und inklusive Welt aufbauen können.
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[1] Das Wort an sich ist ja schon problematisch. Wer/was definiert diese Norm? BMI? Den hätten wir längst über Bord werfen sollen. Dazu kommt bald auch ein Artikel von mir.
Bildquelle:
auf den beiden Bildern ist die wunderbare und immer strahlende Katha zu sehen ^^ Die Bilder habe ich selbstverständlich mit ihrer Erlaubnis hier gepostet. Katha ist eine plus size fashion & lifestyle Bloggerin. Mehr von ihr findet ihr hier:
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