Kristina Lang: “Die Haare bleiben da!“

Ich habe die wunderbare, starke, extravagante Kristina Lang von Cosmotinaut interviewt. Kristina arbeitet als Life-Coach für Frauen und gibt Workshops, in denen Frauen lernen, sich von den gesellschaftlichen Zwängen zu befreien und in ihre Mitte zu kommen. Kristina wollte vor drei Jahren ein Experiment wagen und hörte auf, sich zu rasieren (Beine, Achsel, Intimbereich, Augenbraunen, Zehen). Das Experiment ging jedoch so weit, dass es zu ihrem Lebensstil geworden ist. Kristinas Bein- und Achselhaare sind jetzt ein Teil von ihr. Genau darüber wollte ich mit ihr sprechen.

Kristina erzählt mir, dass sie gerade einen für sie neuen Job als Kinderanimatorin ausprobiert. Sie äußert Bedenken, dass ihr Chef ihr sagen wird, dass die Haare unbedingt ab müssen, wenn sie etwas auf der Bühne vorführt. Ihre Antwort hält sie schon parat: „Die Haare bleiben da! Dann bin ich halt Prinzessin Elsa auf der Bühne mit einem Busch unter den Achseln!“ (lacht)

Wie kam es dazu, dass du die Entscheidung getroffen hast, dich nicht zu rasieren?

Ich war eigentlich immer ziemlich selbstbewusst und mit mir verbunden. Irgendwann wollte ich an den Strand fahren und dann dachte ich: „Ne, erstmal muss ich mich waxen, das Waxen dauert aber zwei Stunden. Scheiß drauf, ich bleibe zu Hause.“ Und dann dachte ich sofort: „Alter, was bist du denn für eine? Was hast du denn für einen kranken Kopf, dass du nicht an den Strand fahren willst, Sommer und Sonne genießen willst, weil du Haare hast?“ Und da fing es an, dass ich mich damit voll intensiv auseinandergesetzt habe und bin dann mit meinem sexy Bikini an den Strand losgefahren. Und da habe ich gemerkt, dass ich scheiß selbstbewusst bin. Ich bin lediglich angepasst, ich bin nur ein Produkt von dem, was man sehen will, von dem, was ich von mir sehen will. Und das war der Auslöser damals. Und besonders weil ich am Abend noch bei Kumpels war und die das halt gesehen haben, und die Reaktion darauf hat mich so bekräftigt das weiterzumachen und ihnen das alles schön in die Fresse zu geben damit. Und jetzt… Jetzt ist mir das tatsächlich fast egal, bzw. jedes Mal, wenn ich das sehe und irgendwie eine Abneigung dagegen spüre, dann gehe ich in mich hinein und frage mich: „Okay, was hast du denn für ein Problem mit dir selbst, dass du das nicht akzeptieren kannst, dass du damit nicht rausgehen kannst?“  Und wenn Leute irgendwas dagegen haben, also wirklich aktiv etwas dagegen haben, dann sind das einfach nicht meine peoples.

Hast du dir früher auch schon Gedanken darüber gemacht?

Ja, na klar! Das war ständig ein Thema. Meine Haare sind halt  wie bei einem sibirischen Tiger. Das entzündet sich ständig, das ist nur scheiße. Es gibt halt Mädels, die rasieren sich und sind eine Woche blank, und bei mir kommen sie am Abend schon wieder raus. Und dann habe ich gedacht, dass das auch für die Haut nicht schön ist, aber man fühlt sich dadurch sexy und man fühlt sich zugehörig. Und man fühlt sich auch weiblich, weil das das Weiblichkeitsbild ist, was man halt bekommt.

Wie reagieren die anderen auf dich?

Wenn ich irgendwo in der Stadt lang gehe, sexy Klamotten anhabe und dann sind da halt diese Haare. Die meisten Menschen gucken dann ganz schön krass. Es passiert oft, dass ich z.B. ein Pärchen sehe, das sogar so ganz nett am Schnacken ist, dann bemerken sie meine Beinhaare und entweder der Mann oder die Frau zieht dann so am Ärmel und macht komische Geräusche. Und ich drehe mich dann immer so gemütlich um und grüße sie (lacht). Sie sind dann immer völlig verwirrt.

Gibt es einen Unterschied zwischen der Reaktion von Männern und der Reaktion von Frauen?

Damals habe ich gedacht, dass Männer krasser reagieren würden. Tatsächlich habe ich das so eher bei Frauen recht krass empfunden. Eben nicht unter Abneigung, weil das unsexy ist, sondern  eher: „Ey, Misstück, warum macht sie das? Ich will das auch!“ Und das Thema dahinter ist ja Freiheit. Es geht nicht um Haare, es geht um Freiheit und um sich-selber-leben. Ich kenne auch viele Kinder, die mir gesagt haben: „Meine Mama hat so was nicht.“ Sie haben ihre Mutter – oder auch viele junge Männer – haben noch nie eine Frau mit Beinhaaren gesehen. D.h. seit wie viel Jahrzehnten sie auf dieser Welt leben, sehen sie nur Frauen, die sich angepasst haben. Sie haben noch nie eine Urfrau gesehen! Das ist total verrückt.

Also sind die Reaktionen eher gleich von der Intensität her?

Es sind halt andere Intentionen. Bei Männern kommt meistens so ein leichter „äähhh“ (imitiert würgen). Das ist ja irgendwie pervers, das passt nicht ins Schema rein, wo alle rasiert und blitzeblank sind. Und bei Frauen ist es dann meistens so: „Okay, krass, eigentlich Respekt…“ Aber bei vielen kommt dann sofort Hass als Reaktionsmuster: „Das ist Konkurrenz, sie ist freier als ich!“

Wie können wir als Frauen weg von Konkurrenz und eher zu Kooperation kommen?

Wir müssten ehrlicher zueinander sein und keine Angst davor haben, unsere Schwächen einander zu zeigen. Denn wir versuchen viel zu oft Sachen zu unterdrücken oder vor anderen zu verstecken, damit die anderen sie nicht sehen und damit wir für andere als perfekt erscheinen. Wenn man die eigenen Schwächen aber auslebt und dazu steht, dann fühlt man sich gleich viel ‘normaler’, viel verbundener  und menschlicher auch. Man setzt sich keine Maske auf und versuch nicht ein Bild zu ergeben, sondern man handelt in Gemeinsamkeiten und unterstützt einander.

Welche Botschaft würdest du meinen Leserinnen auf den Weg geben?

Chill. Genieße dein Leben. Scheiß drauf, was andere sagen.

*****

Mehr zu Kristina und ihren Projekten findet ihr auf ihrer Website (http://www.cosmotinaut.com/).  Sie ist nicht nur Expertin in Weiblichkeit, sondern sie beschäftigt sich auch viel mit Psychosomatik und gibt ihr Wissen gerne weiter.

Es gibt auch zwei Videos wo Kristina über ihre Körperhaare spricht, die ich euch anschauen könnt:
1. Von Kristina selbst gemacht: https://www.youtube.com/watch?v=JhbnOtj685E
2. Interview mit Kristina (auf Klo): https://www.youtube.com/watch?v=3nzF0aZdZZQ&t=45s

–>
Wie steht ihr zu Kristinas Entscheidung und zu Körperhaaren generell? Was würde es für euch bedeuten, sich nicht zu rasieren? 

Kristinas FB-Beitrag (25.04.2017), Bildquelle: Siknature Photography
“African HIMBA tribe no hair.
German Russian like a bear.”

*************************************************************************************************************

Bildquelle (Beitragsbild): Kristina Lang

Warum es wichtig ist, über unsere Essstörungen zu sprechen
3 Schritte zu radikaler Selbstakzeptanz

3 comments

  1. Hallo Kristina, ich bin von deiner Einstellung und deinem Selbstvertrauen sehr beeindruckt. Was denken den Frauen über Männer die sehr stark behaart sind und auch damit klar kommen müssen. Ich würde dich gerne kennenlernen und darüber sprechen. Danke das es dich gibt und du vielen die Augen öffnest. LG Udo

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert